„Keine Schubladen mehr für mein Leben!“

Ist mal wieder alles zu viel? Das kennt Armin Morbach nur zu gut. Der Wahl-Hamburger ist nicht nur einer der renommiertesten Kreativköpfe Deutschlands, sondern auch eine inspirierende Persönlichkeit, die für Offenheit und Authentizität steht. Als Fotograf, Make-up-Artist und Herausgeber des Kult-Magazins TUSH hat er die internationale Mode- und Beautywelt über Jahre geprägt und sich einen Namen für seine außergewöhnliche Ästhetik gemacht.
Im Social-Media-Interviewformat "Zu viel" spricht Armin Morbach mit VALEARA über die Bedeutung mentaler Gesundheit und gibt persönliche Einblicke in den Umgang mit Depressionen und Angststörungen. Mit beeindruckender Ehrlichkeit setzt er sich für mehr Bewusstsein und Offenheit ein – ein Gespräch, das Mut macht und dazu inspiriert, über psychische Gesundheit zu sprechen.
Vor sieben Jahren begann für Armin Morbach ein neuer, herausfordernder Lebensabschnitt: Ein ständiges Piepen im Ohr brachte ihn zum Arzt. Doch anstatt einer körperlichen Ursache wurde ihm eine Diagnose gestellt, die sein Leben veränderte: ADHS, Angststörung, Depressionen. „Nehmen Sie einfach Beruhigungstabletten“, lautete die schnelle Empfehlung des Arztes. Doch für Morbach war das keine Option. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Arzt sich die Zeit nimmt und mir erklärt, welche Alternativen es gibt, statt mich in die Schubladen Angst, Depression und ADHS zu stecken und abzuhaken. Nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn.“ Erst eine Heilpraktikerin nahm sich die Zeit, auf seine individuellen Bedürfnisse einzugehen.
Für Morbach beginnt das Schubladendenken bereits mit der Geburt. „Du wirst geboren und bekommst direkt eine Steuernummer. Du bekommst Strukturen vorgelegt, die sich vielleicht bewährt haben – aber tun sie mir persönlich gut? Fühle ich mich damit wohl?“ Genauso sei es mit psychischen Erkrankungen. „Es gibt nicht die eine Tablette, die allen Menschen hilft. Es ist viel angenehmer zu sagen: Ich bin mal so und mal so. Ich habe verschiedene Facetten. Ich will nicht in eine bestimmte Schublade passen.“
Heute ist Armins Umgang mit Angststörungen ein anderer: Er hat gelernt, mit seinem "Lebensrucksack" umzugehen. „Ich nenne es immer den Lebensrucksack, der seit der Geburt mit positiven wie negativen Gefühlen gefüllt ist. Doch mit der Zeit wird er immer schwerer. Man muss ihn, wie einen Kleiderschrank, ab und zu ausmisten und sich fragen, wie viel Ballast man eigentlich mit sich herumschleppt.“ Und noch etwas ist ihm bewusst geworden: Die damalige Diagnose war für ihn ein Wendepunkt. Sie zwang ihn, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und so sein Leben wieder in den Griff zu bekommen – auch wenn die Angststörungen wahrscheinlich nie ganz verschwinden werden.
Das komplette Interview mit Armin Morbach ist auf den Social-Media-Kanälen von VALEARA – Instagram, YouTube, TikTok, Facebook und LinkedIn – online.
Was sind eigentlich Angststörungen und wie erkennt man sie?
Angst ist nicht gleich Angst. Sebastian Riebe, Chefarzt der VALEARA-Klinik am Standort Bottrop und Facharzt für Depressionen, Angsterkrankungen und bipolare Störungen, erklärt: „Wir behandeln vor allem Patienten mit depressiven Störungen und Angststörungen, die einen großen Teil der Bevölkerung betreffen. Eine Angststörung ist nach aktueller Definition dadurch gekennzeichnet, dass depressive Episoden – egal ob leicht, mittelschwer oder schwer – mindestens zwei Wochen anhalten. Depressionen sind oft von Erschöpfung begleitet. Doch bis sich Betroffene in Behandlung begeben, vergeht meist viel mehr Zeit – oft Monate. Anfangs glauben viele, sie hätten einfach nur einen schlechten Tag." Häufig treten Depressionen auch in Kombination mit körperlichen Beschwerden auf. "Viele Patienten mit Depressionen leiden beispielsweise unter Rückenschmerzen und suchen zunächst den Hausarzt oder Orthopäden auf." Ein besonders belastender Aspekt für Betroffene ist oft nicht die Angst selbst, sondern die "Angst vor der Angst". Das sei vor allem bei Panikstörungen der Fall: „Da eine Panikattacke oft unvermittelt auftritt, führt die Angst davor dazu, dass Betroffene bestimmte Situationen vermeiden. Dies kann bis zur sozialen Isolation führen.“
Und was ist nun den mit den Tabletten? Lassen die sich bei einer Behandlung vielleicht vermeiden? „Eine gewisse Skepsis gegenüber Medikamenten ist grundsätzlich verständlich. Es handelt sich ja hier nicht um die Verordnung von Kopfschmerztabletten. Natürlich gibt es bei Psychopharmaka oft Vorbehalte seitens der Patienten, sei es aus Angst vor Abhängigkeit oder der Sorge, ‚anders‘ zu werden. Deshalb ist es besonders wichtig, ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit den Patienten zu führen, um diese Ängste zu nehmen. Dabei muss immer der Einzelfall sowie die spezifische Diagnose berücksichtigt werden. Bei leichten Angststörungen oder Depressionen ist in der Regel keine medikamentöse Behandlung notwendig. Hier können oft Alternativbehandlungen wie Therapien die bessere Wahl sein.“