Benjamin, den alle Benny nennen, kümmert sich – das macht er, seit er denken kann. Um Freunde, Familie, Mitschüler und 10 Monate lang eben um Kinder und Jugendliche in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (KJP) in Bochum-Linden. Freundlichkeit, Neugierde, Humor und eine gewisse Coolness kennzeichnen den 20-Jährigen. „Ich bin nicht so der extrovertierte, spontane Typ. Ich denke gerne erst nach, bevor ich was sage oder mache. Im Umgang mit den Kids ist das hilfreich. Ruhe ausstrahlen, Vertrauen aufbauen, den Überblick bewahren und dann aber auch klare Ansagen machen, das ist meine Art gewesen, mit den Kindern und Jugendlichen umzugehen“, erklärt der großgewachsene, sportliche junge Mann, der in Witten sein Abitur gemacht hat.
Dass er im Freundeskreis erst mal Erstaunen mit seiner Entscheidung für die KJP hervorrief, war ihm eigentlich schon vorher klar. „Was willst du denn in der Klapse?“ war eine typische Reaktion. Er selbst wusste auch nicht wirklich, was auf ihn zukommen würde, aber das war genau das, was ihn reizte. „Ich bin ein neugieriger Mensch. Ich probiere gerne Dinge aus, die ich noch nie gemacht habe. Das mache ich auf meinen Reisen so oder beim Sport. Eine Mitarbeiterin der Klinik hatte mir von der Möglichkeit eines FSJ in der Klinik erzählt und das klang interessant. Und ich wusste, dass es auch ein wenig außerhalb meiner Komfortzone sein würde, das hat mich gereizt“.
Zugeteilt wurde er zum Team der „Station Gelb“, das ist die Akutstation, in der Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 18 Jahren aufgenommen werden. Manche von ihnen als Notfälle, die meisten jedoch, um eine mehrwöchige Behandlung in der Klinik zu durchlaufen. Benny war für die 14-18-Jährigen mit zuständig.
Professionelle Anleitung
Er wusste zwar nicht, was ihn erwartet, aber ein Sprung ins kalte Wasser war es bei seinem Dienstbeginn im September 2023 trotzdem nicht. Denn das Team der Akutstation, das aus Pflegefachpersonen und Erziehern, Physio- und Bewegungstherapeuten, Psychologen, Ergotherapeuten und psychiatrischen Fachärzten besteht, hieß ihn sehr offen willkommen. Und dann lief er in den ersten Tagen einfach mit, immer an der Seite von Katrin Borg, die seine Praxisanleiterin war. „Ich hab‘ zugeschaut, wie die Profis das machen. Alle haben viel erklärt, mir gesagt, warum sie wie handeln, auf was ich achten soll. Ich war von Anfang an auch bei den Teambesprechungen dabei und habe mich sehr schnell sicher gefühlt“, erinnert er sich.
Bei allem dabei
Seine Aufgaben waren enorm vielfältig, im Vordergrund stand immer die Begleitung der Jugendlichen. Gemeinsames Essen, Freizeitaktivitäten auf dem großen, parkähnlichen Außengeländer der Klinik, Begleitung zur Reittherapie, Ausflüge in die Eislaufhalle oder ins Kino, Benny war immer dabei. Klingt alles ganz normal. Eigentlich ist es das auch, aber den Jugendlichen in der Klinik geht es schlecht. Sie leiden an Ängsten oder sind verhaltensauffällig, manche sind an einer Essstörung erkrankt, andere sind komplett in sich zurückgezogen und reden kaum. Wieder andere sind impulsiv und aggressiv und können sich nur schwer in eine Gruppe einfinden, trauen sich nicht mehr in die Schule oder sind völlig mutlos und ganz ohne Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Und bei so viel seelischer Belastung kann ein gemeinsamer Ausflug eben zu einer echten Herausforderung für die Jugendlichen und das Team werden.
Die Klinik ist für diese Jugendlichen ein geschützter Raum. Hier bekommen sie therapeutische und ärztliche Unterstützung, hier lernen sie Schritt für Schritt, sich zu öffnen, ihr Leben wieder positiv zu gestalten, Dinge auszuprobieren, neues Verhalten und neue Sichtweisen zu entwickeln. Und Benny war als Teil des Teams an ihrer Seite. „Man kriegt eine Menge mit vom Leben der Kids und das ist oft ganz schön schlimm. Da musste ich Distanz wahren lernen, sonst nimmt man zu viel mit nach Hause. Und auch wenn ich mich gefreut habe, dass die Kids mir vertraut haben, mich wie so eine Art großen Bruder betrachtet haben, bin ich trotzdem in meiner professionellen Rolle geblieben, das ist wichtig“, so Benny.
FSJ hat Tradition an der Klinik
Benny ist nicht der einzige junge Mensch, der ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Klinik gemacht hat. Seit vielen Jahren gibt es an der Klinik diesen FSJler in Zusammenarbeit mit den Freiwilligendiensten im Bistum Essen, über das man sich bewirbt. Als FSJler ist man versichert, nimmt an FSJ-Seminaren des Bistums teil und bekommt auch ein kleines Taschengeld. Wer in der Bochumer Klinik arbeitet, ist zwar im Schichtdienst, aber nachts und jedes zweite Wochenende ist kein Dienst. Das ist anders als bei den Beschäftigten im Pflege- und Erziehungsdienst, die im Dreischichtsystem arbeiten. Weil die Teams in der Klinik schon sehr viel Erfahrung mit den FSJlern haben, findet die Anleitung und die Begleitung der freiwilligen Langzeithelfer auf hohem Niveau statt, so dass kein Gefühl der Überforderung aufkommt. Und die Teams ihrerseits profitieren von der Unterstützung. „Wir haben fast ausschließlich gute Erfahrungen mit unseren FSJlern gemacht. Für unsere jungen Patienten sind sie oft Vorbild, unsere professionellen Teams können Aufgaben abgeben, das entlastet. Und es ist auch ein schönes Gefühl, unser Können an jüngeren Menschen weiterzugeben“, blickt Pflegedienstleiter Sebastian Klotzek positiv auf die Zusammenarbeit mit dem Bistum.
Nach den Sommerferien starten die nächsten FSJler ihren Freiwilligendienst in der Klinik, einige wenige Plätze sind noch frei. Und Benny? Er hat sich für ein Architekturstudium in Dortmund entschieden. Auch wenn er sehr viel gelernt hat, einen Riesenspaß an der Arbeit mit den Jugendlichen hatte und sich, seine Stärken und Schwächen kennengelernt hat – sein Berufsleben möchte er nicht im sozialen Bereich machen. Aber eine klare Empfehlung hat er: Wer nach dem Schulabschluss noch nicht genau weiß, welche Ausbildung oder Studium er eigentlich machen will, der weiß nach so einem FSJ garantiert besser, wohin die eigene Reise hingehen soll. „Man lernt sich einfach von einer neuen Seite kennen, das lohnt sich also auf jeden Fall“, ist Benny überzeugt. Und Pflegedirektor Sebastian Klotzek ergänzt: "Ich und das gesamte Team wünschen Benny viel Erfolg für sein weiteres Leben. Wir hatten ihn gerne bei uns im Team und bedanken uns ganz herzlich".